Alte Tradition aufgegriffen

“Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ von Lilian Morena Sanchez – Foto: Dieter Härtl/MISEREOR

Die neue Ausstellung in den Außenfenstern der Huppenbroicher Sakristei begleitet durch die Fastenzeit und folgt damit einer alten Tradition. Aschermittwoch ist alles vorbei, dann klingt die Karnevalszeit aus und die Fastenzeit beginnt. Dann werden die Fasten- bzw. Hungertücher aufgehängt. Diese Tradition entwickelte sich im frühen Mittelalter. Das Fastentuch ist ein mit biblischen Motiven besticktes oder bemaltes Tuch, welches in der Fastenzeit in den Kirchen aufgehängt wird, um die bildlichen Darstellungen Jesu Christi, das Kruzifix und den Altarraum zu verdecken. Man sollte sich ganz auf das gesprochene Wort konzentrieren und nicht durch Kruzifixe oder Figuren und den Altar abgelenkt werden. Man sollte quasi auch mit den Augen fasten und nicht nur auf Völlerei und Feierlichkeiten verzichten.

Bemalt und verziert

Im Laufe der Zeit, besonders im späten Mittelalter wurden die Fastentücher immer aufwändiger bemalt und verziert, womit das Fasten des Auges hinfällig wurde. Das größte heute noch erhaltene Fastentuch ist das ca. zehn mal zwölf Meter große und über eine Tonne schwere Freiburger Fastentuch von 1612. In der heutigen Zeit werden Fastentücher von verschiedenen Institutionen gefertigt. Die bekanntesten Fastentücher kennt man aus den Aktionen von Misereor.

In der aktuellen Ausstellung in den Fenstern der Sakristei zeigt der „SAKRALA Museumsverein Simmerath“ die Hungertücher der Jahre 2009 – 2019/2020. Das Misereor-Hungertuch 2021 „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ von Lilian Morena Sanchez wird direkt in der Kapelle an der Altarwand gezeigt. Das bischöfliche Hilfswerk Misereor hat 1976 die Tradition der Hungertücher wieder aufgegriffen und ihr eine weltweite Resonanz verschafft.

Alle zwei Jahre wird ein neues Bild von engagierten Künstlern aus Afrika, Lateinamerika und Asien gestaltet und ermöglicht Einsichten in das Leben und den Glauben von Menschen uns fremder Kulturen. Die modernen Bilder laden, ganz in der Tradition der mittelalterlichen Tücher, zur Betrachtung des Leidens Christi ein. Neu daran ist, dass eine Verbindung mit dem Hunger und der Armut, aber auch dem kulturellen und spirituellen Reichtum der Menschen in den Ländern des Südens hergestellt wird.

Misereor begann diese Zusammenarbeit in einer Zeit, als die Werke von Künstler*innen aus dem Süden ihren Platz noch in Völkerkundemuseen hatten. Kunst ist jedoch mehr als schöner Schein. Sie ist Element der Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens. Sie entspringt dem tiefsten Wesen des Menschen und gründet auf einem Schatz allgemein verständlicher Muster. Deshalb kann sie universal verstanden werden. Viele der Künstler*innen kennen beides, den Süden und den Norden, und konnten so zu Brückenbauern zwischen ihrer eigenen und unserer Kultur und Spiritualität werden.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Misereor-Hungertücher in vielen christlichen Kirchen zu einem festen Bestandteil der Fastenzeit. Sie geben mit ihrer eindrucksvollen und vielfältigen Bildsprache Zeugnis von der Solidarität mit den Armen, Schwachen und Ausgegrenzten und sind immer auch Anfrage an unser Christsein und unseren Lebensstil. Mit einem Gottesdienst im Freiburger Münster eröffnet Misereor übrigens heute, 6. März, um 10 Uhr, seine diesjährige Fastenaktion, die unter dem Leitgedanken steht „Es geht! Gerecht.“. Das Pontifikalamt mit dem Freiburger Erzbischof Stephan Burger, dem indischen Kardinal Oswald Gracias und Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel als Zelebranten wird von der ARD live übertragen.

Quelle: Eifeler Zeitung am Sonntag
Text: Gabriele Keutgen-Bartosch, Dr. Claudia Kolletzki (MISEREOR), Redaktion – Foto: Dieter Härtl/MISEREOR