Einst waren Maikäfer eine Delikatesse

Maikäfer in Huppenbroich: Deutlich ist der Blütenstaub auf dem Käfer zu erkennen, der sich auch auf Terassen, Gehwegen, Fenstern und Dächern ablegt.

Manchmal haben sie Obstbäume kahl gefressen

Huppenbroich. Zahlreiche Geschichten ranken sich um den Maikäfer, der entgegen den meisten anderen Käfern immer wieder Entzücken bei Jung und Alt hervorruft. Wer von den Älteren erinnert sich nicht gern an die Sammlungen im Glas, in denen die Maikäfer mittels der hinzugefügten Blätter einige Tage überlebten, bevor die Mutter den Tierchen wieder die Freiheit zurück gab.

Reinhard Mey beschreibt in dem bekannten Lied „Es gibt keine Maikäfer mehr“ die Folgen der massiven Bekämpfung der Maikäfer mit dem inzwischen verbotenen Insektizid DDT zwischen Anfang der 1950er Jahre und etwa 1972.

Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Maikäfer nicht nur als Hühnerfutter genutzt, sondern fanden auch in der Küche Verwendung. In Frankreich und Teilen Deutschlands wurden sie geröstet und zu Maikäfersuppe verarbeitet. In Konditoreien waren sie verzuckert oder kandiert als Nachtisch zu haben.

Was für ein putziges Kerlchen: Die lustigen Fühler, die drolligen Beinchen, die braunen Flügel, mit denen der dicke Brummer „pumpt“ bevor er losfliegt. Wer könnte so einem netten Tierchen den Kopf abbeißen? Unsere Ahnen taten es. Zumindest die abergläubischen. Es hieß nämlich, diese Handlung bringe Glück fürs Jahr, sofern es dabei der erste gesichtete Maikäfer des Frühlings war.

Doch das Krabbeltier mit dem botanischen Namen Melolontha hat seit jeher auch Schrecken verbreitet. Wenn sie in Massen auftraten fraßen sie innerhalb weniger Wochen Wälder und Kulturen kahl, vernichteten die Arbeit von Jahren. Die Obstbaumzucht war besonders betroffen, denn die Käfer gingen auch an die Blüten. Auf den Feldern fielen sie über Rüben, Hanf, Raps, Klee, Kraut und Hülsenfrüchte her, im Garten waren es Erdbeeren und Salat, im Wald die Laubbäume. Und unter der Erde knabberten die Engerlinge an den Wurzeln. In den 20er-Jahren machten Naturbeobachter die Landwirte, Gärtner und Förster verantwortlich für die Plage. Denn man sei gar zu sehr dem Maulwurf zu Leibe gegangen, einem der natürlichen Feinde des Maikäfers.

Im Mittelalter verwüsteten Maikäfer ganze Landstriche, weshalb ihnen 1320 ein geistliches Gericht in Avignon den Prozess machte und in der Schweiz wurden sie mit einem Bann besprochen, wobei laut Basler Nationalzeitung die letzte Maikäferbeschwörung 1829 gewesen sein soll.


Wir schwelgten noch weiterhin in Kindheitserinnerungen – ausgelöst durch einen Käfer.

Gaby Keutgen
Huppenbroich

Effektiver war das fleißige Einsammeln der Tiere. Noch in den 30er-Jahren wurden oft ganze Schulklassen mit ihren Lehrern abgeordnet. Der Feldzug gegen die Käfer fand in den frühen Morgenstunden statt, wenn sie von der Kühle erstarrt und träge von den nächtlichen Fressgelagen auf den Bäumen ruhten. Bevor die Äste geschüttelt wurden, legte man Tücher aus, um sich das zeitraubende Auflesen zu ersparen.

Was konnte man noch tun mit diesen Massen? Ein spezielles Rezept ist bei Kurt Floericke in dem 1924 erschienen Bändchen „Käfervolk“ notiert: „Da die Maikäfer sehr fett sind, kann man durch Auskochen oder Auspressen ein derbes Öl aus ihnen gewinnen, das als Wagenschmiere oder bei der Seifenbereitung sich verwenden lässt.“ Aber am gebräuchlichsten war es, sie mit heißem Wasser abzutöten und mit Kalk zum Komposthaufen zu schichten oder man verfütterte die geschroteten wie die frischen Käfer und Engerlinge an Hühner und Schweine.

Aber auch dem Menschen sollte man diesen Leckerbissen nicht vorenthalten, meinte 1880 Bertha Heyden in ihrem „Kochbuch für feine Speisen“. Denn die Maikäfersuppe, bereitet aus zerstoßenen und in Butter gerösteten Käfern ohne Flügel, abgelöscht mit Kalbfleischbrühe und verfeinert mit Eidotter, sei wohlschmeckender als Krebssuppe. Für eine Portion benötigte man 30 der Krabbeltiere. („Morgenwelt“, Susanne Heliosch)

„Auch wir waren am Ostersonntag begeistert, als abends drei Maikäfer um die Lampe schwirrten“, erzählt Gaby Keutgen aus Huppenbroich. Der fünfjährige Enkelsohn wurde von allen Seiten mit Infos über dieses Tierchen gefüttert, das zur Gattung der Blatthornkäfer gehört. So lernte er das Lied vom Maikäfer und dessen Mutter im Pommernland kennen, Opa wies ihn in die Tierhaltung im Glas oder Schuhkarton ein und der Onkel schilderte ausführlich den Zustand des Engerlings vor Einsetzen der Methamorphose. Dann war es für den Enkel Zeit, zu Bett zu gehen. Gaby Keutgen: „Wir Alten schwelgten noch weiterhin in Kindheitserinnerungen – ausgelöst durch einen Käfer!“

Quelle: Eifeler Zeitung
Bericht und Foto: Gabriele Keutgen-Bartosch